Wahlen in Griechenland

Linksletter Düsseldorf: Die benebelte Hohepriesterin um das Orakel von Delphi.

 

Das Orakel von Delphi bietet auch zum Zeitpunkt der Eurokrise und trotz dreimonatiger Winterpause seine Dienste an. Es versteht sich, dass Europäer scharenweise dorthin pilgern um die Hohepriesterin Pythia sprechen zu hören. Die derzeit brisanteste Frage lautet: Wie werden die Neuwahlen am 25. Januar 2015 in Griechenland ausgehen?

 

Pythia, auch bekannt als Angela Merkel, weiß sehr wohl was erwünscht ist. Und so sitzt sie auf ihrem Dreifuß über einer Erdspalte, atmet die Dämpfe des Kapitals, der Banken und ihres Finanzministers ein und gibt rätselhafte, doch eindeutige Botschaften von sich. Nun flüstert Pythia aus dem Delphi unserer Zeit, Berlin, dem Nabel Europas, dass ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone für Europa doch zu verkraften ist. Pythia ändert nun ihre Strategie. Ihre rätselhafte Botschaft bedarf einer Neuinterpretation.

Man muss wissen, Pythia berät nur ein auserkorenes Klientel. Menschen ohne Lobby aus einfachen Verhältnissen bekommen von Pythia auf gestellte Fragen nur ein trockenes „Ja“ oder ein „Nein“ zur Antwort. So viel hat sich seit der Antike doch nicht geändert.

Was geschieht eigentlich in Griechenland? Neuwahlen sind für den 25.01. 2015 anberaumt. Die Griechen müssen ein neues Parlament wählen, da die Wahl eines neuen Staatspräsidenten im dritten Anlauf gescheitert ist. Stavros Dimas, ehemaliger EU-Kommissar und der Kandidat der Regierungskoalition, hat verloren.

Und wieder dringen die Dämpfe der Krise aus der Erdspalte hervor und Pythia wird inspiriert. Schulden, Arbeitslosigkeit, Existenzverluste, Perspektivlosigkeit, Korruption, Rechtsextreme im Parlament, politisch motivierte Morde, es liegt nahe, dass vorzeitig gewählt werden muss gerade weil „Krise“ ist.

Und inmitten dieser Dämpfe sieht man die Umrandungen eines Gespenstes. Ja, ein Gespenst geht um in Europa, Alexis Tsipras ist sein Name. SYRIZA ist seine Partei. Eine linke Partei. Radikal-links und linksextrem sind die Attribute, mit denen die Presse dieses Gespenst beschreibt.

Und es verärgert das Europa der Banken und der Märkte, zieht den Unmut der europäischen Eliten auf sich.

Denn wer sich für einen Mindestlohn einsetzt, weitere Privatisierungen ablehnt, Unternehmen verstaatlichen will und darüber hinaus einen Schuldenschnitt verlangt, der bewegt sich gedanklich in Utopia, nicht in Europa.

Bloß keine politischen Experimente. Eine Linkspartei, ein Gespenst, soll Griechenland regieren? Zu einem Zeitpunkt, in dem es doch angeblich aufwärts zu gehen scheint? Sich spukend durch Europa bewegen? Nur fragt man sich, für wen es aufwärts geht. Für die griechische Bevölkerung zumindest nicht.

Das Vorhaben der griechischen Linkspartei, zunächst die humanitäre Krise anzugehen, ein Maßnahmenpaket für die wahren Verlierer der Krise zu ergreifen, stößt auf blankes Entsetzen. Wie kann man nur so gespenstige Ideen haben? Wer soll das denn bezahlen? Das konservativ-neoliberal beherrschte Europa will das nicht. Und so schürt Pythia Ängste in Delphi, Antonis Samaras dämonisiert das Gespenst Alexis Tsipras und prophezeit den Untergang der griechischen Zivilisation falls SYRIZA die vorzeitigen Wahlen gewinnt.

Auserkorenes Klientel und Interessen des Kapitals hin oder her, Pythia in Trance oder auch nicht, eins steht unwiderlegbar fest: Am 25.01. 2015 wählen die Griechen ein neues Parlament. Eine linke Regierung in Griechenland würde ein Zeichen setzen: Europa den Menschen, nicht den Banken und dem Kapital.

Der Überlieferung zufolge befanden sich diese Inschriften am Eingang des Tempels: „Erkenne dich selbst“ und „Nichts im Übermaß“. Die Orakelsprüche der Pythia im Amt trotz Winterpause sind bekannt, es liegt nun an den Wahlberechtigten in Griechenland diese im Sinne der Menschen umzudeuten: „Erkennt euch selbst“, denn das Maß ist voll. Zudem gilt es auch zu erkennen, dass das Gespenst kein böses ist.